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13.12.2016

Kristalline Struktur der Eiswolken und ihre Entstehung aufgeklärt

Eiswolken Eiswolken Eiswolken der unteren Stratosphäre sind in 15-20 km Höhe vom Erdboden aus nur selten und nur weit im Norden zu sehen. © Tobias Zolles / TU Wien

Eiswolken der unteren Stratosphäre sind in 15-20 km Höhe vom Erdboden aus nur selten und nur weit im Norden zu sehen. © Tobias Zolles / TU Wien

Wer bei einem Interkontinentalflug schon einmal nach oben aus dem Fenster geschaut hat, hat sie wahrscheinlich schon einmal gesehen: Zirren, die Eiswolken in der oberen Troposphäre (8-12 km Höhe) sehen aus wie zerzupfte Watte. Aber auch darüber in der unteren Stratosphäre (15-20 km Höhe) gibt es Eiswolken, sogenannte Polare Stratosphärenwolken (Abk. PSCs von engl.: polar stratospheric clouds). Diese sieht man vom Erdboden aus äußerst selten, meistens nur in Skandinavien während des Sonnenauf- oder -untergangs, da dann aufgrund der Erdkrümmung die oberen Schichten der Atmosphäre schon, bzw. noch ausgeleuchtet sind, während der Erdboden im Dunkeln liegt. Eiswolken spielen bei verschiedenen atmosphärischen Vorgängen eine wichtige Rolle, so z.B. in der Strahlungsbilanz unseres Planeten, mit einem starken Einfluss auf das Klima, oder beim Ozonabbau an den Polkappen.

Lange Zeit waren die Bildungsmechanismen von Eiswolken unklar, schließlich konnte man nachweisen, dass sie vor allem aus Wassereis und Salpetersäuretrihydrat (Abk. NAT von engl.: nitric acid trihydrate) bestehen, letzteres kann wiederum zwei unterschiedliche kristalline Strukturen annehmen (alpha- und beta-NAT). Experimentell beweisen konnten die Meteorologen das jedoch nicht, weil die Struktur dieser Kristalle in der Atmosphäre nicht aufgeklärt werden konnte. Die Forschergruppe von Prof. Hinrich Grothe am Institut für Materialchemie der Technischen Universität Wien glaubt, dass die alpha-Form des Hydrats die entscheidende Komponente bei der Bildung dieser Eiswolken ist und konzentrierte sich darauf. Diese Form ist allerdings nur vorübergehend stabil (metastabil) und konnte deshalb bisher nicht als Einkristall gezüchtet werden. Es gelang ihnen jedoch, daraus ein reines, polykristallines Pulver herzustellen und dieses mit dem Pulverdiffraktometer SPODI zu untersuchen. Dieses zu präparieren, war recht schwierig, wie Markus Hölzel, verantwortlicher Wissenschaftler für SPODI, erklärt: „Die Proben durften selbst beim Einbau am Instrument zu keiner Zeit wärmer werden als -173 ºC“. So konnte das Forscherteam als Erste die Struktur dieses Bestandteils von Eiswolken vollständig aufklären.

Da in der Atmosphäre am Ende des Eiswolken-Bildungsprozesses aber immer das beta-Hydrat vorliegt, musste auch der Phasenübergang zwischen den beiden Modifikationen untersucht und verstanden werden. Deshalb verglich die Wiener Gruppe ihre Neutronenergebnisse der alpha-Form mit der beta-Form. „Wir fanden heraus, dass die beta-Form ein ähnliches Volumen, aber eine symmetrischere Struktur als die alpha-Form hat. Das ist zugleich der erste Nachweis einer eigenständigen Existenz dieser alpha-Form“ fasst Doktorand Fabian Weiss ihre Ergebnisse zusammen.

Den Wissenschaftlern ließ keine Ruhe, dass es ihnen nie gelang, perfekte, wasserfreie Kristalle der alpha-Form zu züchten. Sie experimentierten weiter mit Salpetersäuredampf und Eiskristallen und versuchten dafür atmosphärische Bedingungen herzustellen. Dabei machte die Gruppe noch eine weitere wichtige Beobachtung: Solange genügend Eis vorhanden ist, entsteht immer zuerst die alpha-Form, nie die beta-Variante. Diese metastabile Form ist einige Zeit haltbar, solange die alpha-Kristalle in Kontakt mit Eis sind und wandelt sich erst langsam in die beta-Form um. „Wir können nun feststellen, dass die alpha-Form nur in dem schmalen Temperaturbereich zwischen minus 85 ºC und minus 73 ºC vorkommen kann. Sie hat eine hohe Affinität zu Wassereis, was eine entscheidende Rolle dabei spielt, wenn es um die Gründe für das Entstehen von Eiswolken in der unteren Strato- oder der Troposphäre geht“, meint Weiss, der auch Erstautor dieses ersten Eiswolkenexperiments mit Neutronen ist.

Der nächste Schritt muss nun der Nachweis von alpha-NAT in der Atmosphäre sein. Das ist keine leichte Aufgabe, kann aber mithilfe von Satellitenmessungen gelingen, denn die Wissenschaftler haben im Labor auch die Schwingungsspektren beider Modifikationen gemessen und zugeordnet. Dafür haben sie mit Kollegen am Science & Technology Facilities Council (ISIS) in Großbritannien, am Instituto de Estructura de la Materia (IEM-CSIC) in Spanien und am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz zusammengearbeitet. Diese spektroskopischen Daten können möglicherweise im Bereich der Deformationsschwingungen und der Gitterschwingungen eine Differenzierung der Kristallmodifikationen in der Atmosphäre erlauben.

Originalpublikation:
Fabian Weiss, Frank Kubel, Oscar Gálvez, Markus Hölzel, Stewart F. Parker, Philipp Baloh, Riccardo Iannarelli, Michel J. Rossi, Hinrich Grothe, Metastable Nitric Acid Trihydrate in Ice Clouds; Angew. Chem. Int. Ed. 55, 3276

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