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01.09.2023

Rätsel des Festigkeitssprungs im unteren Erdmantel gelöst

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Tomoo Katsura am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth hat herausgefunden, weshalb Gesteine im Erdinneren in einer Tiefe zwischen 800 bis 1.200 Kilometern plötzlich eine sehr viel höhere Festigkeit haben.

Blender3d earthquartercut copyright-soylentgreen Blender3d earthquartercut copyright-soylentgreen Schalenaufbau des Erdinneren (weiß: Erdkruste; dunkelrot: Erdmantel; hellrot und gelb: äußerer und innerer Erdkern). © SoylentGreen, CC BY-SA 3.0

Schalenaufbau des Erdinneren (weiß: Erdkruste; dunkelrot: Erdmantel; hellrot und gelb: äußerer und innerer Erdkern). © SoylentGreen, CC BY-SA 3.0

Ursache für diese Veränderung sind Gesteine, die mit dem Mineral Bridgmanit angereichert sind. Diese Gesteine machen den größten Teil des unteren Erdmantels unterhalb von etwa 1.000 Kilometern Tiefe aus. Sie haben eine viel größere Korngröße als die darüber liegenden Gesteine, was zu einer hohen Festigkeit führt. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Fachzeitschrift „Nature veröffentlicht. Der MLZ-Wissenschaftler Dr. Nicolas Walte war Teil der erfolgreichen Kooperation und ist Co-Autor der Publikation.

Unterer Erdmantel mit Bridgmanit angereichert
Bridgmanit ist benannt nach dem US-Physiknobelpreisträger Percy Bridgman. Es ist das am häufigsten vorkommende Mineral im unteren Erdmantel, der sich von einer Tiefe von 660 Kilometern bis 2.900 Kilometern erstreckt und etwa die Hälfte der gesamten Erde ausmacht. Wissenschaftler aus Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien und den USA haben herausgefunden, dass die Korngröße von Bridgmanit ab einer Tiefe von etwa 1.000 Kilometern ansteigt, da die Gesteine des unteren Erdmantels mit zunehmender Tiefe mit Bridgmanit angereichert sind. Infolgedessen nimmt die Viskosität und somit auch die Festigkeit der Gesteine deutlich zu, da die Viskosität mit der Korngröße ansteigt. Der darüber liegende flachere Teil des unteren Erdmantels, der bis in eine Tiefe von rund 1.000 Kilometern reicht, besteht aus Pyrolit. Dieses Gestein enthält neben Bridgmanit 20 Volumenprozent an anderen Mineralen. Diese anderen Minerale verhindern das Kornwachstum von Bridgmanit. In den mit Bridgmanit angereicherten Gesteinen tritt dieser Effekt nicht auf, so dass Bridgmanit dort ungehindert zu großen Körnern heranwachsen kann.

Viskositaetssprung-highres de Viskositaetssprung-highres de Viskositätssprung im unteren Erdmantel. © Hongzhan Fei

Viskositätssprung im unteren Erdmantel. © Hongzhan Fei

Rätselhafte Phänomene in Milliarden Jahre alten Strukturen in tiefer Erde
Der daraus resultierende Viskositätssprung wirkt sich auf eine Vielzahl von geophysikalischen und geochemischen Prozessen aus. “Obwohl subduzierte Platten relativ reibungslos in den unteren Erdmantel eintauchen, wird ihr Absinken im flachen Teil des unteren Erdmantels zunehmend verlangsamt. Andererseits scheint sich das Aufsteigen von heißen Teilen des Erdmantels, den sogenannten ‘Mantel-Plumes’ oder ‘Mantel-Diapiren’, die in verschiedenen Gebieten der Erdoberfläche Vulkane erzeugen, oberhalb von 1.000 Kilometern zu beschleunigen. Diese Beobachtungen waren bisher schwer zu verstehen, jetzt aber können wir sie wissenschaftlich erklären”, sagt der Erstautor, Prof. Dr. Hongzhan Fei, der am Bayerischen Geoinstitut (BGI) geforscht hat und jetzt eine Professur an einer der Spitzenuniversitäten Chinas, der Zhejiang-Universität in Hangzhou, innehat. Die hochviskosen, mit Bridgmanit angereicherten Gesteine entstanden in der Frühgeschichte der Erde bei der Kristallisation eines Magmen-Ozeans. Da sie eine so hohe Festigkeit haben, kann die Mantelkonvektion sie nicht mit anderen Bestandteilen des Mantels vermischen. Infolgedessen sind die mit Bridgmanit angereicherten Gesteine seit Milliarden von Jahren im tiefen unteren Erdmantel erhalten geblieben.

Neue Theorie erklärt geophysikalische Beobachtungen
Prof. Dr. Tomoo Katsura, Inhaber des Lehrstuhls für Struktur und Dynamik des Erdmaterials am BGI, setzt die neuen Forschungsergebnisse in Beziehung zu seismischen Beobachtungen. “Seismologen haben gezeigt, dass viele subduzierte Erdplatten in der Schicht zwischen 600 und 1.500 Kilometern Tiefe stecken bleiben. Sie haben auch gezeigt, dass Mantel-Diapire zwar vertikal aufsteigen und unterhalb einer Tiefe von 1.000 Kilometern mit seismischen Verfahren abgebildet werden können, oberhalb dieser Tiefe jedoch schwer nachweisbar sind. Unsere neue Theorie kann diese Beobachtungen erklären. Da die Viskosität mit der Tiefe zunimmt, können die Platten in Regionen, die tiefer als 1.000 Kilometer sind, nur schwer eindringen. Andererseits steigen die Mantel-Diapire in dieser Tiefe schneller auf, so dass sie dünner werden und schwer abzubilden sind”, erklärt Katsura.

Originalpublikation:
H. Fei, M. D. Ballmer, U. Faul, N. Walte, W. Cao, and T. Katsura
Variation in bridgmanite grain size accounts for the mid-mantle viscosity jump
Nature 620, 794–799 (2023)
DOI: 10.1038/s41586-023-06215-0

Internationale Zusammenarbeit:
Die in Nature veröffentlichte Studie entstand in enger Zusammenarbeit von Prof. Dr. Tomoo Katsura (Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Hongzhan Fei (Universität Bayreuth und Zhejiang Universität/China) mit Dr. Nicolas Walte (Technische Universität München), Prof. Dr. Maxim Ballmer (University College London/UK), Dr. Ulrich Faul (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge/USA) und Dr. Weiwei Cao (Extreme Conditions and Materials: Hochtemperatur und Bestrahlung (CEMHTI), Orléans/Frankreich).

Kontakt:
Prof. Dr. Tomoo Katsura
Lehrstuhl für Struktur und Dynamik des Erdmaterials
Bayerisches Geoinstitut (BGI)
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 / 55-3791
E-Mail: tomo.katsura@uni-bayreuth.de

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